Nachdem ein kurzer Regenschauer zu Beginn der Protestaktion am 11.5.2014 vorüber war, stellten wir die Situation der wegen der geplanten Verlängerung der Stadtautobahn A100 gekündigten Mieter/innen der Beermannstraße in Berlin-Treptow in einem Straßentheater dar. Hier zeigt Bürgermeister Klaus Wowereit sein wahres Gesicht als Erfüllungsgehilfe der Baulobby. Zum Rausschmeißen der Mieter/innen schob Wowereit die Senatsverwaltung vor und eine Frau Richter wurde mit der Aufgabe betraut, den Mieter/innen zu kündigen.
Die angebotenen Ersatzwohnungen sind meist kleiner, aber teurer, weit entfernt von diesem Kiez und oft mit schlechterer Ausstattung. Die Mieter/innen müssen sich innerhalb weniger Tage entscheiden, ob sie solch eine schlechtere Wohnung nehmen, ansonsten ist auch diese weg. Statt eine angemessene Entschädigung zu zahlen, die die Mietdifferenz für die nächsten Jahre ausgleicht, werden den Mieter/innen lediglich die Umzugskosten erstattet. In Anbetracht dessen, das die 3,2 km Autobahn von Neukölln nach Treptow mittlerweile über 500 Millionen Euro kosten sollen, ist das der blanke Hohn.
Die Angst, aus dem eigenen Kiez und damit aus dem sozialen Umfeld verdrängt zu werden sowie der Druck des Berliner Senats, sich in kürzester Zeit sich für eine nicht angemessene Ersatzwohnung entscheiden zu müssen, lässt die Mieter/innen seit Monaten nicht mehr ruhig schlafen.
Fotos: Claudia Kristine Schmidt, Tobias Trommer
Eigentlich hat die Beermannstraße alles auf einmal, was sich viele in Berlin wünschen: sie ist in direkter Nähe zur S-Bahn, hat ein Einkaufszentrum direkt vor der Haustür, ist trotzdem relativ ruhig gelegen und nach hinten hinaus ist alles grün und man blickt womöglich sogar auf seinen eigenen Garten. Viele Bewohnerinnen und Bewohner leben schon lange hier und kennen sich. Trotzdem sind die Wohnungen sehr günstig. Alteingesessene Mieter zahlen eine Kaltmiete von durchschnittlich 4,20 Euro je qm. In der Nachbarschaft werden solche dagegen Wohnungen immer knapper und teurer.
2009 kam der Schock für die Bewohner/innen, daß die Stadtautobahn A100 mitten durch ihre Wohnungen führen soll und 4 Häuser abgerissen werden sollen.
Als nach massiven Protesten und 2500 Einwendungen gegen die fehlerhafte Autobahnplanung jedoch beide Regierungsparteien der damaligen rot-roten Koalition umkippten und auf ihren Landesparteitagen gegen den den Autobahn-Ausbau stimmten, begannen sie wieder Hoffnung zu schöpfen. Sie dachten, dass die politischen Entscheider mittlerweile klüger geworden sind als in den 60ger Jahren, wo im Westteil der Stadt ein Kiez nach dem anderen durch die A100 zerschnitten wurde. Den Schutz vor Lärm und Abgasen hatte man damals nicht berücksichtigt. Nun leben dort nur noch die Menschen an der Autobahn, sie es sich nicht leisten können, wegzuziehen. Das sind Menschen mit geringem Einkommen oder niedrigen Renten oder Erwerbslose.
2010 zeigt Bürgermeister Klaus Wowereit sein wahres Gesicht als Erfüllungsgehilfe der Baulobby: er setzte seine SPD unter Druck und ließ einfach noch einmal über die A100 abstimmen und erreichte so eine hauchdünne Mehrheit für die Autobahn. Das halten wir für faule Politik.
In Neukölln wurden für die geplante Autobahn-Verlängerung bereits über 300 Kleingärten und damit mehr als 12 Hektar Stadtnatur unwiederbringlich zerstört. Das ist schon schlimm genug.
Doch hier in der Beermannstr. sollen erstmals nach der Wiedervereinigung Wohnhäuser abgerissen und Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben werden. Dies ist jedoch nur der Auftakt: Sollte sich die Stadtautobahn weiter durch Friedrichshain hin zur Frankfurter Allee und Storkower Str. fressen, sind unzählige weitere Mieter betroffen und sogar denkmalgeschützte Gebäude sollen zerstört werden. Auch Gewerbe und Clubs werden verdrängt.
Wir, das Aktionsbündnis A100 stoppen, fordern den Stopp des drohenden Abrisses dieser Wohnhäuser und des schon begonnen Baus der A100 nach Treptow sowie ein klares Signal der Politik, dass weitere Abschnitte nicht mehr geplant werden und aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen werden.
Statt wie von den Planern behauptet, die Kieze vom Verkehr zu entlasten, wird durch die Stadtautobahn mehr Verkehr erzeugt und in die angrenzenden Wohngebiete geleitet. Der bereits vorhandene Autobahnring zeigt eindeutig, dass die vom Senat behaupteten Effekte wie verkehrliche Entlastung der Innenstadt und Schaffung von Arbeitsplätzen so nicht realistisch sind. Außerdem ist dort zu beobachten, wie die Autobahn die Kieze zerschneidet und die Lebensqualität durch Lärm, Abgase und Feinstaub verschlechtert.
Selbst nach der Verkehrsprognose des Berliner Senats für 2025 fahren die Berlinerinnen zunehmend mehr Rad oder nutzen den ÖPNV und verzichten immer mehr aufs Auto. Wir brauchen daher auch in Berlin einen Paradigmenwechsel weg von der autogerechten Stadtplanung der 60er Jahre hin zu einer nachhaltigen Planung in Einklang mit Mensch und Umwelt, wie sie in anderen Großstädten bereits praktiziert wird.