Der heutige Strafprozess gegen vier A100-GegnerInnen am 26.10.2015 wegen der Räumung der Baumbesetzung in Neukölln endete erneut mit einer Vertagung. Etwa 10-15 solidarische Personen wohnten der Zeugenvernehmung von Arne Huhn (Bauleiter der A100-Verlängerung bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung) und mehrerer Polizeibeamter bei. Gegen eine Person wurde der Prozess mit Rücksicht auf ein parallel laufendes Verfahren eingestellt.
Die Zeugenvernehmung von Herrn Huhn war durch widersprüchliche Angaben zum durch ihn gestellten Strafantrag geprägt. Dieser ist die juristische Grundlage, die ein Strafverfahren überhaupt erst möglich macht. Es stellte sich heraus, dass Herr Huhn der Polizei vor Ort einen schriftlichen Blankoscheck für die Verfolgung aller sich auf dem Grundstück befindender Personen gegeben hatte und man sich anschließend mündlich darauf verständigte, diesen auf Personen einzugrenzen, die sich trotz Aufforderung nicht entfernten. Insgesamt wurde deutlich, dass Senatsverwaltung und Polizei in diesen Wochen und Monaten bei der Durchsetzung der A100 sehr eng verzahnt waren.
Einige Monate später hat der selbe Herr Huhn im Namen Michael Müllers ein Schreiben an zwei Mitglieder des Abgeordnetenhauses aufgesetzt, in dem behauptet wurde, die Stellung des Strafantrags sei an eine ganze Reihe von Kriterien geknüpft worden (etwa, dass sich die Angeklagten in den Baumkronen aufhielten und nicht von alleine herunterkamen). Ihm war dabei offensichtlich nicht bewusst, dass diese Kriterien auf den Großteil der fünf Personen, die wegen dem Strafantrag vor Gericht standen, laut den Ermittlungen der Polizei gar nicht zutrafen. Mit diesem Widerspruch konfrontiert, kam der Zeuge ins Schwimmen. Natürlich sei er an das Schreiben des Senators gebunden, aber natürlich gelte der Strafantrag auch für jene Personen, auf die nicht alle dort genannten Kriterien zutreffen. Das mündete in der beiläufigen Aussage, es könne schon sein, dass man als Verwaltung den Abgeordnetenhausmitgliedern gegenüber falsche Angaben gemacht habe. Das Gericht zeigte sich an diesem Widerspruch wenig interessiert und ließ seine Bereitschaft erkennen, ihn großzügig zum Nachteil der Angeklagten auszulegen.
Die folgende Vernehmung von 3 Polizeibeamten brachte wenig neue Erkenntnisse. Wie zu erwarten, war ihr Erinnerungsvermögen nach anderthalb Jahren nicht mehr besonders gut, manches wussten sie ohnehin nur vom Hörensagen. Wohl als Reaktion auf diese für die Anklage nicht sehr günstige Beweislage entschloss sich das Gericht, die zwei ehemals Angeklagten, deren Verfahren mittlerweile eingestellt wurden, zum nächsten Verhandlungstermin als Zeugen zu laden. Sie sollen so gezwungen werden, gegen ihre MitstreiterInnen auszusagen!
Der Prozess wird am 11.11.2015 fortgesetzt werden. Nachwievor ist solidarische Prozessbeobachtung sehr erwünscht!